Leben auf Sparflamme

Wie Tiere durch den Winter kommen

von Waldführer Heinrich Vierlinger

Für alle in freier Wildbahn lebenden Tiere sind die Wintermonate eine harte Zeit. Um sie zu überleben, wenden sie verschiedene Strategien an.
Es sind dies: Anlegen einer Speckschicht vor dem Winter, wechseln vom Sommer-zum Winterfell, wenig Bewegung, viel Ruhe, gemeinschaftliches Überwintern, Vorratshaltung, Winterruhe , Winterschlaf und Kältestarre.
Über eine "innere Uhr" und Hormonsignale, zusammenhängend mit der Dauer des Tageslichtes werden Winterruhe und Winterschlaf gesteuert.
Winterruhe gibt es nur bei gleichwarmen Tieren zum Beispiel bei Braunbären, Marderhunden, Waschbären, Dachsen, Bibern und Eichhörnchen.
Sie senken ihren Energiebedarf stark ab, die Körpertemperatur wird dabei im Gegensatz zum Winterschlaf nicht deutlich gesenkt, dafür wird aber die Herzfrequenz vermindert. Sie senken die Temperatur in ihrer Außenhülle vor allem nachts ab auf etwa 15°. Bei Störungen muss der Stoffwechsel hochgefahren werden, dies kann zu ernsthaften Problemen führen. Gelegentliches Futtersammeln genügt.
Eichhörnchen z.B.rollen sich zusammen, decken sich mit dem Schwanz zu, wachen aber immer wieder auf und müssen dann über ihren angelegten Vorrat „nachheizen".

Braunbären könnten in nördlichen Regionen ohne Winterruhe nicht überleben. Dort verbringen sie mehrere Monate in der Bärenhöhle in echtem Schlaf ohne zu koten, zu urinieren, zu fressen oder zu trinken. Die nötigen Energiereserven fressen sie sich im Herbst an. Es ist dies die Sammelzeit der Braunbären, während dieser können sie täglich rund 40 Kilogramm Futter fressen und dabei pro Tag fast drei Kilogramm zunehmen. Beeren, Nüsse und Samen sind nahrhaft und sorgen für ein dickes Fettpolster, von dem sie während ihrer Winterruhe leben.

In Mitteleuropa, verlassen sie mehrfach die Höhle über den Winter. Die Bärin bringt im Januar in ihrer Höhle bis zu zwei Jungbären zur Welt. Im warmen Zoo mit ständigem Futterangebot halten Bären keine Winterruhe.

 

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Foto: Peter Auerbeck


In Winterschlaf fallen z.B. Igel, Dachs, Siebenschläfer, Fledermäuse


Winterschlaf ist kein Tiefschlaf von Oktober bis März, er verläuft in Abschnitten. Meistens wechseln sich Ruhephasen ab mit kurzen Wachphasen, in denen die Tiere aktiv sind. Sie geben mitunter Kot und Urin ab oder wechseln den Schlafplatz.
Echte Winterschläfer werden mit abnehmender Tageslänge träge, beziehen ihr meist vorhandenes oder vorbereitetes Quartier und beginnen zu Schlafen. Die Körpertemperatur des Tieres fällt annähernd auf die Umgebungstemperatur des Winterquartieres. Die Körperfunktionen sinken ab, der Herzschlag und die Atmung verlangsamen sich stark. Ein „inneres Thermostat" sorgt aber dafür, dass die Körpertemperatur nicht unter 1° Plus sinkt. Wichtig ist, dass sich das Tier einen genügenden Fettvorrat angefressen hat. Mit diesem „Brennmaterial" lässt sich die kalte Jahreszeit überstehen. Von Zeit zu Zeit wachen aber auch viele Winterschläfer auf. Sie geben dann den angesammelten Harn ab.
Der Igel wird bei etwa 14° Außentemperatur immer träger und geht bei etwa 12° in Winterschlaf z.B. in einem Laubhaufen. Das „innere Thermostat" hält in etwa 1° warm. Die Atmung reduziert er von 50x auf 4x /min. Manchmal atmet er bis zu 1 Std überhaupt nicht. Am Ende eines Winters sind 40% Gewicht weg.

Aufwärmen durch Muskelzittern
Rätselhaft wie das Einschlafen ist das Erwachen. Möglicherweise geben Stoffwechselprodukte und steigende Umgebungstemperaturen Wecksignale. Die volle Harnblase ist es jedenfalls nicht. Aufwachen heiß Aufwärmen. Das vegetative Nervensystem setzt Hormone, Gefäßregulation und zitterfreie Wärmebildung über das Fettgewebe in Gang. Sind 15 Grad Celsius überschritten, kommt Muskelzittern hinzu. Brust und Kopf werden schnell, der Hinterkörper langsam erwärmt.


Kältestarre gibt es nur bei wechselwarmen Tieren (z.B. bei Schlangen, Fröschen, Kröten, Eidechsen, Ameisen aber auch Borkenkäfern usw.) Wichtig ist, das Körperwasser muss zuerst stark vermindert werden. Es findet kein Stoffwechsel mehr statt. Die Kältestarre wird im Gegensatz zum Winterschlaf zwingend von fallenden Temperaturen eingeleitet. Bei der Kältestarre werden die Augen offen gelassen, der Zustand gleicht einer Ohnmacht. Alle Lebensvorgänge werden dabei auf annähernd Null zurückgefahren, so dass das Tier bei sehr tiefen Temperaturen nicht aufwachen und den Kältetod sterben kann. Über eine vermehrte Zuckerproduktion (Glucose) überstehen diese Tiere tiefere Temperaturen.
Die Fichtenborkenkäfer(Buchdrucker) fallen ebenfalls in Kältestarre. Sie entstammen normalerweise der zweiten Generation im Jahresverlauf, bei besonders günstigen Bedingungen auch aus der dritten. Sie überwintern in der befallenen Fichte unter der Rinde im Bast aber auch im Boden. Fertig ausgebildete Käfer sind sehr robust und können Temperaturen bis unter - 30° ertragen.

Schlangen ziehen sich in ein Erdloch zurück und fallen in Kältestarre. Sie sind vollkommen bewegungsunfähig und es kann passieren, dass Kreuzottern z.B. im Winter von ihrer Beute(Mäuse)aufgefressen werden, ein furchtbares Schicksal, späte Rache?

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Foto:Martin Stadler

 

Eine weitere sehr effiziente Strategie ist z.B. das gemeinsame Überwintern. Sie wird von Bienen praktiziert. Sie bilden sogenannte Wintertrauben in denen sie von außen nach innen wechseln und sich dadurch immer wieder aufwärmen, der Stoffwechsel läuft dabei weiter.


Rotwild ist unser größtes Landsäugetier, das uns noch geblieben ist. Im Winter wird es zum Rindenfresser. Forscher der VedMed- Uni Wien haben herausgefunden, bei Rothirschen sinkt die Kerntemperatur des Körpers (normal: 38,5 Grad) im Winter zwar nur um ein paar Zehntel Grad, periphere Körperregionen, wie die Extremitäten oder das Brustbein, können aber auf bis zu 15 Grad abkühlen. Gleichzeitig sinkt, wie an Hirschen oder Steinböcken in der freien Natur gemessen wurde, die Herzfrequenz in Winternächten fast auf die Hälfte ab. Die Forscher nennen das „verborgener Winterschlaf" bzw. „Pseudo-Hibernation". Rothirsche beispielsweise senken ihren Energieumsatz im Winter auf die Hälfte. Sie machen das aber nur dann, wenn sie in Ruhe gelassen werden. Denn wenn das Wild beunruhigt und in Stress versetzt wird, dann steigt ihr Stoffwechsel schnell an - u.a., um ständig fluchtbereit zu sein. Dann benötigen die Tiere aber viel größere Mengen an Nahrung und sie beginnen, „den Wald zusammen zu fressen".
Dieser Zusammenhang ist für die Forstwirtschaft und deren Kampf gegen den Wildverbiss wichtig: Bei einem Großversuch in Graubünden wurde für bestimmte Waldgebiete im Winter ein rigoroses Zutrittsverbot (für Menschen!) erlassen. Allein dadurch sind die Wildschäden bei gleicher Tierdichte um ein Drittel zurückgegangen! Und das, obwohl zudem die Winterfütterung komplett eingestellt worden ist.

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Biber, müssen ab und zu ebenfalls „nachheizen". Sie bekommen im Winter keine Blätter, deshalb fällen sie Im Herbst und Winter Bäume um an die Rinde zu kommen.


Es gibt aber auch einige Arten die genau in der unwirtlichen Jahreszeit sogar ihren Nachwuchs bekommen und aufziehen. Ein Beispiel dafür ist der Fichtenkreuzschnabel. Er wird auch als Christvogel bezeichnet, weil er sich öfter zur Weihnachtszeit zeigt, bzw. weil er schon im Dezember/Januar zu brüten beginnt. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass er eine gute „Zapfengegend" gefunden hat.

 

 

 

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