Diskussionspapier

 

Wiederaufnahme der Schachtenbeweidung

im Nationalpark Bayerischer Wald

 

 

 

 

Grundsätzliches

 

·        Aufgabe des Nationalparks ist es laut Nationalparkverordnung: „Erhaltung der heimischen Tier- und Pflanzengesellschaften, sowie den zwischenzeitlich ganz oder weitgehend aus dem Gebiet zurückgedrängten Tier- und Pflanzenarten eine artgerechte Wiederansiedlung zu ermöglichen“ (Schutz der Artenvielfalt des Naturraumes)

·        da nicht bekannt ist, wie offen, oder wie geschlossen die (Wald-)Landschaft des Bayerischen Waldes vor Einflussnahme durch den Menschen war, ist auch die Frage, ob die Schachten Primär-Lebensräume oder Sekundär-Lebensräume sind, wissenschaftlich derzeit nicht zu beantworten („Rodung“ ist nicht immer belegt und vor einer Rodung möglicherweise vorgefundene „Ur-Wald-Strukturen“ sind nicht zwangsläufig  „Primärlebensräume“, es ist lediglich unbekannt, was vorher war...!)

·        aus oben gesagtem ergibt sich, dass nicht nur die „Waldarten“, sondern auch die Offenlandarten (also alle Arten der Region) in das Erhaltungskonzept einzubeziehen sind

·        typische und teilweise seltene Offenlandarten sind auf den Schachten zumindest reliktartig immer noch vorhanden

·        die Wiederaufnahme der Beweidung auf den Schachten eröffnet also Chancen zur Erhaltung oder Wiederansiedlung dieser in weiten Bereichen zurückgedrängten Gesamt-Artenvielfalt des Naturraumes „Hochlagen Bayerischer Wald“.

·        aktuell unbesetzte ökologische Nischen der ehemals in Mitteleuropa vorkommenden Vorfahren heutiger Haustiere können bei entsprechender Weideführung zumindest partiell wiederbesetzt werden (mit Auswirkungen auf z.B. koprophage (kotbesiedelnde) Arten)

·        als weiterer „Zweck“ des Nationalparks ist in der Nationalparkverordnung die „Erhaltung kulturhistorisch wertvoller Flächen und Denkmale“ formuliert. Beide genannten Zielvorgaben sind durch eine sachgerechte Beweidung in idealer und sich gegenseitig ergänzender Weise erfüllbar.

 

 

Umsetzung

 

Naheliegend ist es zunächst, die Erfahrungen der Vergangenheit bezüglich der Schachtenbeweidung zu nutzen und bei einer Wiedereinführung an die damalige Praxis anzuknüpfen.

Das bedeutet vor allem: Man braucht Hirte, Hund und Hüterhütte.

 

Besucher-Information und  Besucher-Lenkung, die Überwachung der Zaunanlage, die wissenschaftliche Begleitung des Projektes und dergleichen mehr, sind heutzutage weitere Aufgaben, die eine ständige personelle Präsenz erfordern werden.

 

Die Vorstellung, man könne Weidevieh in diesen Lagen über längere Zeit sich selbst überlassen, ist nicht realistisch und wird zu Misserfolgen in mehrerlei Hinsicht führen.

 

Es ist auch heute wieder mit Luchs und Wolf, möglicherweise in Zukunft sogar mit Bären in der Region zu rechnen, so dass ein Zurückgreifen auf die alten und bewährten Methoden der Behirtung dringend anzuraten ist.

Wird dies aber berücksichtigt, so ist eine Beweidung der Schachten, ganz gleich mit welcher Tierart, auch unter dem neuen Vorzeichen „Förderung und Erhaltung der Artenvielfalt“ und auch bei Anwesenheit der großen Beutegreifer problemlos durchführbar.

 

Darüber hinaus wird der Einsatz verschiedener Weidetierarten (z.B. alte Haustierrassen) neben der zu erwartenden vielfältigen ökologischen Bereicherung, den Erlebniswert der Schachten in ganz besonderer Weise steigern.

 

Negativ zu bewertende Auswirkungen auf den Gesamtlebensraum sind bei schrittweisem und behutsamem Vorgehen wohl kaum zu befürchten, wenn man bedenkt, dass in den Zeiten der historischen Schachtenbeweidung viele der heutigen „Rote-Listen-Arten“ (incl. die Charak-terart des Bayerischen Waldes, das Auerwild) eine Hochblüte erlebt haben.

                        

 

Weidetierarten

 

Als Weidetiere stehen Robust-Rassen aller gängigen Weidetierarten (Pferde, Rinder, Schafe und Ziegen, möglicherweise auch Esel) zur Auswahl.

 

Pferde und Rinder können große Mengen an Futteraufwuchs verwerten, sind also für große Flächen prädestiniert.

Der Gehölzverbiss ist im Vergleich zu Schaf und Ziege geringer.

Schafe zeichnen sich durch eine absolute Wetterfestigkeit und bei entsprechender Rasse auch durch eine hohe Verbissfreudigkeit aus.

Unerreicht hoch ist die Verbissleistung an Gehölzen allerdings bei Ziegen, so dass das Ziel der Offenhaltung mit dieser Tierart am schnellsten und im Vergleich mit Rindern oder Pferden mit viel geringen Stückzahlen pro Flächeneinheit zu erreichen ist.

In Hinblick auf Wetterfestigkeit rangiert die Ziege allerdings am Ende der Skala. Sie sollte bei nasskalter Witterung Zugang zu einem Unterstand haben.

Esel stehen in Bezug auf Haltungsbedingungen und Eigenschaften etwa zwischen dem Pferd und der Ziege.

Gemischte Herden sind natürlich ebenfalls möglich - oft auch vorteilhaft - und erzeugen je nach konkreter Ausgangslage nochmals eine besondere Eigendynamik.

 

Umfassende Erfahrungen mit allen genannten Weidetierarten im Bayerischen Wald (tlw. auch in den Hochlagen und mit Schaf- und Ziegenhaltung unter den Bedingungen von Luchs-vorkommen im Umfeld) konnten bereits bei der Umsetzung des Artenhilfsprojektes „Böhmischer Enzian“ im Landkreis Freyung-Grafenau gewonnen werden und stehen zur Verfügung.

Insgesamt über 30 Jahre intensive Beschäftigung mit der Thematik und praktische Erfahrung seitens des Projektbetreuers - auch auf eigenen schachtenähnlichen Flächen am Dreisessel- können bei der konkreten Umsetzung ebenfalls genutzt werden.

 

Der Aufbau einer nationalparkeigenen Weidetierherde mit Winterstallung (möglicherweise im Bereich der bestehenden Tierfreigelände) wird allerdings neben der Schaffung der personellen Basis (Hirte/NP-Wacht/SG Bildung etc.) eine wesentliche Voraussetzung zum Gelingen sein.

 

 

 

Eine möglicherweise zur Durchführung von Beweidungsmaßnahmen ins Auge gefasste Auftragsvergabe an externe Auftragnehmer ist auf Teilflächen sicherlich ebenfalls praktikabel und durchaus auch erfolgversprechend, kann nach den vorhandenen Erfahrungen aber nicht als Generallösung empfohlen werden, da zur soliden wissenschaftlichen Begleitung eines derartigen Projektes zumindest Kernflächen vorhanden sein sollten, auf denen langjährige Kontinuität und gleichzeitige Flexibilität gewährleistet werden kann.

Bei einer externen Lösung ist dies nur sehr bedingt zu erreichen, so dass dieser Weg nur als eine von ggf. mehreren Varianten gesehen werden sollte.

 

Allerdings könnte eine dergestalt konstruktive Zusammenarbeit mit Landwirten/Tierhaltern aus der Region auch ein weiterer guter Schritt in Richtung der gewünschten positiven Verzahnung des Nationalparks mit der ökologisch-ökonomischen Vorfeldentwicklung sein.

 

 

 

 

Fazit

 

·        die Zeichen der Zeit stehen auf  „Wiederaufnahme der Schachtenbeweidung“

 

·        die Beweidung der Schachten trägt sowohl dem kulturhistorischen Aspekt der Schachten Rechnung, als auch dem Ziel der Erhaltung/Förderung der Artenvielfalt,  verbindet dies mit größtmöglicher Naturnähe und schafft dazu noch hohen natur-touristischen Erlebniswert

 

·        Bei der gegebenen, nahezu idealen Ausgangssituation, durch die Lage der Flächen im Nationalpark, durch zudem bereits vorhandene umfassende praktische  Erfahrungen in der Umsetzung bei vergleichbaren Projekten, sollte aus einem derzeit noch eher „ungeliebten Kind“ (analog zur Anfangsphase beim Haus zur Wildnis....) ein ökologisch hochaktuelles Vorzeigeprojekt allerersten Ranges mit großer  Ausstrahlungswirkung zu machen sein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Autor:   Thomas Zipp,  

Klausenweg 3,  

94 089 Neureichenau,  

Tel.:   08583/1847,  

 mail:   thomas.zipp@web.de

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