Beitrag zum KlimaschutzBeitrag zum KlimaschutzIn nutzungsfreien Wäldern wird CO2 länger gebunden als in Holzprodukten
18.02.2020 |
Stand 18.02.2020, 12:37 Uhr
Die nachkommende Vegetation kann die CO2-Freisetzung durch Windwürfe wieder
auffangen. -Foto: Elke Ohland/Nationalpark Bayerischer Wald
Grafenau. Kann sich Deutschland nutzungsfreie Wälder für den Biotop- und
Artenschutz leisten? Diese Frage wird oft vor dem Hintergrund des Klimawandels
diskutiert und muss laut Nationalpark klar mit einem "Ja" beantwortet
werden. Der Vorwurf, Wirtschaftswald speichert CO2, während Naturschutzwälder
als CO2-Quelle agieren, halte einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand.
Ein Wirtschaftswald liefert Holzprodukte wie Möbel, Papier oder auch
Bauholz. Im Naturschutzwald wird die Ressource Holz nicht genutzt. Sterben
Bäume ab, verbleiben sie als Totholz im Wald. Sowohl Holzprodukte als auch
Totholz speichern CO2 - und zwar so lange, bis die Holzprodukte nicht mehr
gebraucht und entsorgt werden oder das Totholz verrottet ist. Untersuchungen in
Thüringen zeigten, dass Nutzholz eine mittlere Verweildauer von 21 Jahren hat.
Das heißt, dass nach 20 bis 25 Jahren 66 Prozent der Masse der Holzprodukte
verbrannt sind. Die mittlere Verweildauer von Totholz im Wald liegt bei 40 bis
50 Jahren. "Totholz hält CO2 also deutlich länger zurück", erklärt
Dr. Franz Leibl, Leiter des Nationalparks.
"Die mittlere Verweildauer von Nutzholz könnte erhöht werden, wenn
nicht mehr gebrauchte Produkte, zum Beispiel Dach- und Deckenbalken, eine
andere Verwendung finden." Diese sogenannte Kaskadennutzung ist derzeit
noch unterentwickelt. Einer möglichen Wiederverwertung, beispielsweise von
Abbruchholz zur Holzpalette und weiter zur Faserholzpalette, steht im Weg, dass
"es noch keine Weiterverarbeitungslinien im größeren Maßstab gibt",
so Leibl. "Nicht mehr gebrauchtes Holz wird derzeit verbrannt."
Ein weiteres Argument, das bei diesem Thema häufig gegen Schutzgebiete
vorgebracht wird, ist die Freisetzung von CO2 aus dem Boden nach Störungen.
"Dies geschieht, weil Bodenmikroorganismen Humus im und auf dem Boden als
Energiequelle veratmen", erklärt Burkhard Beudert, Forscher im
Nationalpark. Dabei spielt es keine wesentliche Rolle, welcher Art diese
Störungen sind. "Egal ob Hieb im Wirtschaftswald oder Sturm im Schutzwald
- in beiden Fällen wird ungefähr gleich viel CO2 freigesetzt."
Entscheidend ist, wie schnell und stark die Folgevegetation wieder mehr CO2
speichert als durch Atmung frei wird. "Verbleibendes Totholz gleicht die Humusverluste
des Bodens etwas aus, während Verletzung und Durchmischung des Oberbodens durch
schweres Gerät sie erhöhen."
Beudert weist in dieser Diskussion auf eine bedeutende aktuelle Studie von
Prof. Rupert Seidl vom Lehrstuhl für Ökosystemdynamik und Waldmanagement an der
TU München hin. Das Forscherteam hat die künftige CO2-Speicherung im
Rachel-Lusen-Gebiet des Nationalparks Bayerischer Wald unter fünf verschiedenen
Klimaszenarien berechnet. Je nach Ausmaß des Klimawandels werden dabei Stärke
und Häufigkeit von Störungsereignissen wie Windwurf und Borkenkäferbefall
simuliert. Die Entwicklung des Kohlenstoffvorrats in den Baumbeständen mit
allen ober- und unterirdischen Bestandteilen sowie im Boden wurde über 200
Jahre berechnet.
Demzufolge steigt die oberirdische Kohlenstoffspeicherung über die nächsten
100 Jahre um 40 bis 100 Prozent an, die unterirdische Kohlenstoffspeicherung
wächst über die nächsten 50 Jahre um 10 Prozent. Erst dann wird ein relativ
stabiles Level erreicht. Gegenüber dem Ausgangswert im Jahr 2012 erhöht sich
demzufolge der gespeicherte Kohlenstoffvorrat deutlich. Die Frage nach der
Klimarelevanz des Biotop- und Artenschutzes im Nationalpark lässt sich für die
Zukunft daher eindeutig beantworten: Die Wälder des Nationalparks wie auch
anderer Naturschutzwälder sind in den kommenden Jahrzehnten eine Nettosenke für
Kohlendioxid.
Ein weiterer wichtiger Diskussionspunkt ist der Substitutionseffekt. Damit
ist gemeint, dass energieintensive Baustoffe wie Glas, Beton, Stahl oder
Aluminium, durch Holz ersetzt werden und damit der CO2-Ausstoß gesenkt wird.
Nachdem das Holz der Schutzgebiete nicht genutzt wird, entfällt dieser positive
Effekt. Laut Beudert sei dies jedoch wenig bedeutsam. "Im schlimmsten Fall
erhöht die Nicht-Nutzung des Holzes im Nationalpark die deutschen
Treibhausgasemissionen um 0,02 Prozent. Dafür gesetzlichen Biotop- und
Artenschutz in Frage zu stellen, erscheint nicht verhältnismäßig."- pnp |
zurück zur Übersicht
impressum