Herbstwanderung

Herbstwanderung am Wimmerkanal

von Jens Schörnich

Freyung. "Es ist unglaublich, fast nicht zu verstehen, wie man damals so etwas bauen konnte", sagt Dipl.-Ing. Michael Haug, ehemaliger Landschaftsplaner der Nationalparkverwaltung über den Wimmerkanal. Seit Jahren erforscht er den Triftkanal, der vor 200 Jahren den Reschbach bei Mauth mit der Erlau verbinden sollte. Politische Ereignisse sorgten jedoch dafür, dass das Bodendenkmal nie in Betrieb genommen wurde. Er geriet in Vergessenheit. Der Verein Pro-Nationalpark hat es sich zur Aufgabe gemacht, das einmalige Bauwerk aus dem Dornröschenschlaf zu wecken. Bei Exkursionen werden die Überreste des Schwemmkanals Meter für Meter erkundet. Zum Abschluss erforschten die Teilnehmer, darunter der Schwemmdirektor des Schwarzenberger Schwemmkanals, Dipl.-Ing. Hynek Hladik, den gut erhaltenen Abschnitt von Hobelsberg bis zur Erlau.
Das Projekt ist aus der Not geboren. Im Zuge der Säkularisation wurde das Fürstbistum Passau 1803 aufgelöst, in Teilen dem Großherzogtum Salzburg-Toscana zugeschlagen. So kam der neue Landesherr auch in den Besitz der Ilzer Trift.
Die Stadt Passau wurde bayerisch. Da die Triftstrecke kurz vor Passau nun über bayerisches Gebiet verlief, hatten die neuen Herren ein Problem. Die Bayern stellten sich quer. Da bot Oberst Freiherr Jakob von Wimmer, Besitzer des Gutes Groß-Zdikau, das in Grenznähe lag, seine Hilfe an. Mit dem Bau eines Kanals vom Reschbachtal bis zur Erlau wollte er das politische Problem lösen, andererseits die Möglichkeit schaffen, das Gebiet weiter für die Trift zu erschließen. Nicht uneigennützig, schließlich gehörten zu seinem Besitz riesige Waldungen. In der Nähe von Hobelsberg, oberhalb von Grainet, ist der Hangkanal auf einer Strecke von rund zwei Kilometern noch gut erhalten. "Man muss sich vorstellen, dass die gesamten 50 Kilometer per Hand ausgehoben wurden", erzählt Haug. Dafür stellte die österreichische Armee über 1000 Soldaten zur Verfügung. Kleine Trupps begannen vermutlich ab Frühjahr 1805 an vielen Stellen gleichzeitig mit den Grabungen. Die ältere These, dass bereits früher begonnen wurde, scheint nicht haltbar. "Es gibt Erkenntnisse, dass der Vertrag erst Ende 1804 geschlossen wurde", so Michael Haug. Unglaublich, was die Arbeiter damals mit Blick auf die Bodenbeschaffenheit unter widrigsten Umständen leisteten. Auf der Strecke zwischen Reschbach und Erlau weist der Hangkanal einen Höhenunterschied von 70 Metern auf. Pro Kilometer zwei Meter Gefälle. Genau, wie die Teilnehmer auf einem GPS überprüfen konnten. Ermöglicht wurde dieses exakte Gefälle durch eine Abwägungsmaschine, die Urform des Nivelliergeräts. Für die Grabungen benötigten die Soldaten nur ein halbes Jahr. Warum man das so genau weiß? Auch hier griff die Geschichte ein. Im Oktober 1805 verliert Österreich die Schlacht bei Ulm gegen Napoleon. Durch den Wechsel auf die Seite Napoleons wurde Bayern mit umfangreichem Landgewinn, darunter das Passauer Ilzland, belohnt. Der Grund für den Bau des Wimmerkanals war nicht mehr gegeben. Die weiteren Arbeiten wurden eingestellt. Was blieb, ist ein Schwemmkanal, der bald in Vergessenheit geriet. Auf den freien Flächen wurde er zugeschüttet, im Wald überwucherte er oder wird als Müllkippe zweckentfremdet. Die Steine der Viadukte finden sich in Häusern wieder. Die Holzbauten vermoderten. Und doch bleiben Spuren. Und die möchte der Verein Pro-Nationalpark erhalten, die Gemeinden und Bevölkerung auf sie aufmerksam machen, ja sensibilisieren, dass so ein Bauwerk nicht ganz verschwinden darf. Spurenreste finden sich auch bei Vorderfreundorf. Es sind die Überreste einer "Riese", Holzrutsche, mit der der große Höhenunterschied zum Osterbach überwunden wurde. "Das Holz wurde an einem Triftrechen aufgehalten und dann geordnet über die Rutsche in den Osterbach geleitet", erklärt Haug. Der ausgebaute Bach gehörte wie der Wimmerkanal zu einem weitverzweigten Triftsystem. Eine weitere, lange Rutsche verband vermutlich den "Graben", die ehemalige Wasserversorgung von Waldkirchen, hinab zur 70 Meter tiefer gelegenen Erlau. Dort endete auch die dritte, vorerst letzte Wanderung auf den Spuren des Wimmerkanals. Nachdem die Forschungen von Michael Haug ergeben haben, dass der Kanal eventuell über den Reschbach hinaus ins Gebiet des Lusens gebaut wurde, ist eine Fortsetzung der historischen Wanderungen jedoch angedacht. 
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Foto 1: An vielen Stellen ist der Wimmerkanal noch sehr gut erhalten

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               Foto 2: Michael Haug (r.) erforscht seit vielen Jahren den Wimmerkanal

Herzlichen Dank an unser Mitglied Jens Schoernich für diesen Bericht. Er unterstützt uns jederzeit.Demnächst wird ein großer Artikel über das Thema  Wimmerkanal auch in der Zeitschrift "Schöner Bayerischer Wald" zu lesen sein.             


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