Unser Juwel Vom faulen
Kompromiss zum Juwel
Nächstes Jahr feiert der Nationalpark Bayerischer Wald 50. Geburtstag. Aus der Taufe gehoben aber wurde er am 11. Juni 1969, als der Bayerische Landtag einstimmig seine Errichtung beschloss. Andreas Nigl 09.07.2019 |
Stand 09.07.2019, 08:59 Uhr
![]() Natur Natur
sein lassen - ein Leitsatz, der im Nationalpark Bayerischer Wald erlebbar wird.
-F.: Daniela Blöchinger
Natur Natur sein lassen - so lautet die Devise von
Deutschlands ältestem Nationalpark. Das mehr als 24000 Hektar große
Schutzgebiet genießt national und international höchstes Renommee. Doch der Weg
dahin war steinig, auch nach dem 11. Juni 1969. Betrachtet man das aus heutiger
Sicht, so muss man sagen: Alles, was beschlossen wurde, war ein fauler
Kompromiss. Es gab keine klaren Vorgaben im Sinne des Naturschutzes, keine klar
definierten Grenzen, vor allem aber: Die Holznutzung sollte fortgesetzt werden.
Letztlich hat es dann noch weitere 23 Jahre gedauert, bis der Nationalpark 1992
eine klare Zielvorgabe - eine Rechtsverordnung - erhalten hat. In ihr wurden
Aufgaben und Ziele definiert und festgeschrieben.
Aber: vielleicht war es ganz gut, dass diese
Verordnung so lange auf sich warten ließ. Wäre sie wesentlich früher
entstanden, die Festlegungen wären zweifelsfrei nicht so fortschrittlich
gewesen. Zwischen 1969 und dem Anfang der 90er Jahre hat es sozusagen einen
langen Gärprozess gegeben, der sehr fruchtbar war. Heute hat sich die
Nationalpark-Idee, die eigentlich in den USA entstanden ist, auch in ganz
Deutschland durchgesetzt und ist zu einem Erfolgskonzept des Naturschutzes
geworden. Und dem Nationalpark Bayerischer Wald wird dabei eine Vorreiterrolle
zugeschrieben.
![]() Wurden wieder im Nationalpark angesiedelt:der Luchs....
![]() ...
der Habichtskauz. -F.: Simonis
Am 7. Oktober 1970 waren die ersten Einrichtungen des
Nationalparks fertig. Und die wurden damals mit einem großen Staatsakt
feierlich eröffnet.
1,3 Millionen Besucherkommen jährlich
1,3 Millionen Besucher pro Jahr können nicht irren -
keine Frage das Motto des Parks, "Natur Natur sein lassen", zieht.
Mehrere personelle Glücksfälle der Anfangszeit waren der Ausgangspunkt. Da ist
der Grafenauer Landrat Karl Bayer zu nennen. Er stammte aus Unterfranken, hatte
Forstwissenschaft studiert und war nach seiner Referendarzeit zunächst Beamter
in Diensten der staatlichen Forstverwaltung. Bei den Wahlen zum Landtag 1962
kandidierte er für die SPD und erreichte ein Mandat. Sein kommunales Engagement
trug bereits im Jahr 1964 - damals völlig überraschend - erste Früchte.Im
Landkreis Grafenau wurde der etablierte CSU-Landrat Bogenstätter abgewählt. Mit
knappem Ergebnis konnte Bayer damals sensationell den Landrats-Sessel erobern.
Als Landrat von Grafenau wurde Bayer im letzten Drittel der 60er Jahre zur
Speerspitze der regionalen Befürworter des Nationalparks, von dem er sich eine
touristische Aufwertung des armen Landstrichs versprach. Aufgrund seiner
forstlichen Vergangenheit kannte er die Wälder und war entsprechend fachlich
versiert. Seine landespolitischen Erfahrungen als Abgeordneter kamen ihm zu Gute,
und er kannte die Forstverwaltung, die gegen einen Nationalpark war, als
Insider. Er konnte in kurzer Zeit vermitteln, dass die gesamte Region einmütig
hinter der Idee stand, im Gebiet zwischen Rachel und Lusen ein Nationalpark
entstehen zu lassen.
Nach der kommunalen Gebietsreform (Zusammenlegung des Landkreises Wolfstein und Grafenau) verlor Bayer sein Amt als Landrat. In der Folgezeit war er Bürgermeister Grafenaus. Wurden wieder im Nationalpark angesiedelt: der Luchs und ... Aber Bayer war nicht allein. Am 11. März 1969 gab es einen Wechsel im Landwirtschaftsministerium. Hans Eisenmann löste den bisherigen Amtsinhaber Alois Hundhammer ab. Diese Personalentscheidung sollte sich in der Folgezeit als entscheidend für die weitere Entwicklung der Nationalparkfrage erweisen. Eisenmann engagierte sich zunächst in der Bayernpartei. Ab 1950 war er Abgeordneter im Bayerischen Landtag, ab 1954 für die CSU. Als Eisenmann das Landwirtschaftsministerium übernahm, war er 46 Jahre alt und hatte schon eine bedeutende Karriere vorzuweisen. Die Gegner einer Unterschutzstellung hatten sich auf den unterschiedlichsten Themenfeldern in Stellung gebracht. So kamen gewichtige Argumente von der Jagd-Lobby, aus dem Forstverein und aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium. Die regionalen Wirtschaftsverbände, wie beispielsweise der Sägewerksverband oder die Vertreter der Gewerkschaften, hatten sich zum Teil gegen das Projekt ausgesprochen. Es ist der Verdienst von Eisenmann, dass er nach einer politischen Lösung suchte, mit der letztlich die Befürworter und Gegner leben konnten. Es ist aber auch sein Verdienst, dass er da, wo es nötig war, seine Vorstellungen durchsetzte. Vergessen darf man aber auch nicht zwei weitere Politiker: den damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, der 1997 gegen massive Widerstände die Erweiterung des Parks in den Landkreis Regen durchgesetzt hat. Und Alois Glück, den späteren Landtagspräsidenten, auch als das soziale Gewissen der CSU bezeichnet, der dem Park auch in stürmischen Zeiten stets wohlgesonnen war. Was dann im Laufe der Jahre folgte, war eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Aus dem anfänglichen Nebeneinander von Forstpartei und Naturschützern gingen Letztere als Sieger hervor, sprich Holzeinschlag und Jagd wurden reduziert, der Naturschutzgedanke kam immer mehr in den Vordergrund. Am 1. Januar 1979 war es mit dieser Parallel-Führung dann vorbei: Nationalparkamt und Nationalparkforstamt wurden aufgelöst und zur heute bekannten Nationalparkverwaltung zusammengefügt. Eine Zäsur in der Geschichte des Parks war sicher der Entschluss Eisenmanns, im Jahr 1983 die gewaltigen Windwürfe in der Kernzone nicht aufzuarbeiten, und hier der Natur ihren Lauf zu lassen. Eine Ausbreitung des Borkenkäfers und ein großflächiges Absterben der Fichten-Monokulturen war die Folge. Was die einen als Beginn eines neuen, widerstandsfähigeren Waldes bejubelten, rief bei vielen anderen Empörung hervor. Die grünen Waldwogen Adalbert Stifters hatten jetzt riesige Löcher. Nicht zuletzt daraus resultierte die Gründung der "Bürgerbewegung zum Schutze des Bayerischen Waldes", die sich jahrelang ob dieser Vernichtung der heimischen Wälder Leserbriefschlachten mit der Nationalparkverwaltung in den Medien lieferte. Schließlich bewies die Natur dann doch, dass auch Katastrophen eine Chance sein können. Heute können sogar die größten Kritiker die Augen vor der Tatsache nicht verschließen, dass allerorten ein neuer Wald heranwächst. Eine Erkenntnis, die in Sachen Klimaerwärmung und dem prognostizierten Aus der Fichte in vielen Regionen auch wieder Hoffnung geben mag. Eine weitere Zäsur war die Erweiterung des Parks in den Landkreis Regen. Am 1. August 1997 wurde der Nationalpark auf Gebiete der Gemeinden Bayerisch Eisenstein, Lindberg und Frauenau ausgedehnt. Mit dem Zuwachs des Areals zwischen Großem Falkenstein und Großem Rachel wurde der Nationalpark nun über 24000 Hektar groß. Und dieser neue Teil des Parks macht im Laufe der Jahre dann die gleiche Geschichte durch, wie sie Bewohnern des Altparks im Landkreis Freyung-Grafenau bestens bekannt war. Borkenkäferkalamitäten nach großen Windwürfen zerstörten in den Augen vieler ihren schönen Wald. Doch auch hier heilte die Zeit die Wunden. Mittlerweile ist im Erweiterungsgebiet die Zustimmung zum Park fast so hoch wie im Altteil. Da mögen sicher auch die Tourismus-Geschenke des Freistaates ein Übriges getan haben - das Tierfreigelände am Falkenstein samt Infoeinrichtung zählt dazu. Heutzutage ist Fakt, dass der "Park", wie ihn die Einheimischen nennen, der regionale Tourismusmagnet schlechthin ist. Zudem werden Arbeitsplätze geschaffen, über 200 Menschen stehen zurzeit in Lohn und Brot. Auch die Tatsache, dass der Nationalpark bei Forschern aus aller Welt sehr beliebt ist, tut ein übriges für das Renommee des Landstrichs. Geforscht wird dabei in alle Richtungen. Da geht es beispielsweise darum, welche Tierarten wie beim Zersetzen von Tierkadavern mithelfen. Die Erkenntnisse dienen dann Forensikern in aller Welt dazu, den genauen Todeszeitpunkt von Ermordeten bestimmen zu können. Starke Figuren an der Spitze
Ein Nationalpark braucht einen starken Leiter. Und da
hatte die Einrichtung immer Glück. Der Richtige war zu seiner Zeit immer vor
Ort. Ab 1. Januar 1969 stand Hans Heinrich Vangerow - der Erfinder der Waldjugendspiele,
an der Spitze. Im Dezember 1969 folgte Hans Bibelriether. Der unbeirrbare
Franke ging stur seinen Weg und scheute keinesfalls die offensive
Auseinandersetzung mit den Kritikern.
Sein Nachfolger Karl Friedrich Sinner (†) versuchte ab
1998 durch seine ausgleichende Art den Park trotz der Borkenkäferkalamitäten
und den Wirren infolge der Erweiterung weiter in der Bevölkerung zu verankern.
Unzählige Male ging er in die Wirtshäuser vor Ort, um dort in aufgeheizter
Stimmung mit den Waidlern zu diskutieren.
Der jetzige Parkchef Franz Leibl setzt, wie er sagt,
seit 2011 auf zwei Eckpfeiler - Ruhe und Transparenz der Entscheidungen. Zudem
sucht er den verstärkten Zusammenschluss mit dem Nationalpark Šumava. Zusammen
mit dessen Leiter Pavel Hubený will er so das Naturschutzpotential des größten
zusammenhängenden Waldgebietes Mitteleuropas noch stärker nutzen.
Die Waidler wissen mittlerweile was sie an "ihrem
Park" haben. So verursachte dann auch ein Ausbruch von Gehegewölfen 2017
viel weniger Aufregung als ein ähnlicher Fall 1976, als bundesweit zum großen
Halali geblasen wurde. Auch die Bürgerbewegung ist stiller geworden, sie stellt
sich wohl neu auf. Mit neuem, jüngerem Personal - und neuer Stoßrichtung. So
scheinen beispielsweise die Rückkehr von wilden Wölfen und die damit
verbundenen Probleme ins Zentrum ihrer Kritik zu rücken.
Aber auch die Politik erkennt den Wert des Parks.
FRG-Landrat Sebastian Gruber spricht von einem Segen für die Region: "Ich
sage bewusst unser Park, weil er zu uns gehört und Region und Nationalpark sehr
gut zusammenarbeiten."
Das Attribut "unser" benutzt auch Regens
Landrätin Rita Röhrl. "Mit seinen 50 Jahren ist unser Nationalpark der
älteste in Deutschland. Nicht nur die Gäste äußern sich sehr positiv zum Park,
auch die einheimische Bevölkerung blickt nach durchaus kontroversen
Diskussionen in der Vergangenheit mit Stolz auf ihn".
Auch Umweltminister Thorsten Glauber ist voll des Lobes. "Der Nationalpark Bayerischer Wald ist eine Erfolgsgeschichte, auf die wir in Bayern sehr stolz sind. Deutschlands ältester Nationalpark ist ein Paradies der Artenvielfalt. Er ist damit eines der Flaggschiffe für den Naturschutz. Auch für mich ist der Nationalpark Bayerischer Wald eine der schönsten Regionen Bayerns," lässt er die Heimatzeitung wissen. Wie geht es weiter? Die unberührte Natur wird weiter wachsen. Jahr für Jahr werden neue Bereiche für Kernzonen ausgewiesen. Aktuell liegt man bei knapp 69 Prozent, bis 2027 soll dieser Anteil auf 75 Prozent erhöht werden. Leibl spricht davon, dass durch den Prozessschutz im Nationalpark eine biologische Vielfalt entstanden sei, die in Mitteleuropa ihres Gleichen suche. Darunter auch die Quellpopulationen von Luchs und Habichtskauz. Diesen Weg gelte es weiter zu gehen. "Das sind wir unseren Kindern schuldig". Redaktionelle Mitarbeit: Michael Haug Meilensteine
Herzlichen Dank an den Redakteur der PNP Andreas Nigl für die Erlaubnis diesen Artikel auf unsere WebSeite stellen zu dürfen. |
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